
Kochsendungen im Fernsehen: Wie das TV Programm heute kulinarische Kompetenz vermitteln möchte
Es zischt, es brodelt, es dampft – und angeblich duftet und schmeckt es auch ganz köstlich. Kochsendungen gehören zum täglichen TV Programm heute. Sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die privaten Fernsehsender haben verschiedene Formate im Programm, in denen prominente oder auch weniger prominente Köchinnen und Köche kulinarische Wunderwerke auf den Tisch zaubern. Ob als Kochduell-Profi gegen Hobbykoch, als Ernährungsratgeber oder als Verkaufssendung, Kochshows gewinnen an Popularität und vor allem an Vielfalt. Aber was ist so spannend daran, jemand anderem beim Kochen zuzusehen? Schließlich dürfen wir die köstlichen Speisen ja noch nicht einmal probieren. Wir haben uns einmal etwas eingehender mit Phänomen Kochsendung beschäftigt und interessante Einblicke in ein psychologisches Konzept erhalten.
Kochen goes Lifestyle

Kochsendungen sind beinahe so alt wie das Fernsehen als Unterhaltungsmedium. Sobald das Programm, das über die Bildschirme flimmerte, über einfache Nachrichtenübermittlung hinausging, nahmen Formate rund ums Kochen ihren festen Platz ein, den sie bis heute nicht mehr geräumt haben. Ursprünglich richteten sich die Kochsendungen an die tüchtige Hausfrau, die ihren Alltag zu Hause verbringt und sich darum bemüht, Mann und Kindern ein gemütliches Heim zu schaffen. Schon damals war das Können am Herd durchaus mit allgemeiner Alltagskompetenz gleichzusetzen. Da die ersten Formate rund ums Kochen, Brutzeln, Braten und Backen waren als informative Ratgeber gestaltet und gehörten deshalb noch eine ganze Weile eher in die öffentlich-rechtlichen Programme.
Inzwischen haben Kochsendungen einen Imagewandel hinter sich, genau wie das Kochen selbst. Kochen ist längst mehr als die notwendige Zubereitung von Speisen. Es geht um Ernährungskonzepte, um gesundheitliche Aspekte, um Werte und Überzeugungen, um das neue Superfood und nicht zuletzt auch um Genuss und soziales Miteinander. Kurz gesagt: Kochen ist zum echten Lifestyle-Phänomen geworden, das den Weg aus dem häuslichen Umfeld in jeden Bereich des modernen Lebens gefunden hat.
Da ist es wenig verwunderlich, dass sich im TV Programm heute unzählige Sendungen zum Thema Kochen und Essen sozusagen die Fernbedienung in die Hand geben. Profiköche, die übrigens auch heute noch vor allem männlichen Geschlechts sind, sind zu echten Superstars avanciert und erfreuen sich einer riesigen Fangemeinde. Kochen wie die Profis möchten die Zuschauer, den eigenen Speiseplan aufpeppen und natürlich bei der nächsten Einladung zum Essen Familie und Freunde mühelos in Erstaunen versetzen.
Eng verbunden mit der Popularität der Kochsendungen ist auch die Vielfalt an Küchengeräten und Kochutensilien, die für den häuslichen Gebrauch angeboten werden. Von Kochbüchern über hochwertige Messersets und Topfkreationen bis hin zu luxuriösen Küchenhelfern wie dem Thermomix hat sich im Dunstkreis der Kochsendungen ein gewaltiger Markt entwickelt. Passenderweise finden sich im TV Programm heute neben zahlreichen Kochformaten auch Verkaufssendungen, die alles anpreisen, was eine Küche braucht, um die Köstlichkeiten der Profis nachkochen zu können. Eine schick eingerichtete Küche wird damit ebenso zum Lifestyle wie das Kochen selbst.
Kochen ist en vogue und gehört beinahe zum guten Ton. Kulinarische Kompetenz ist viel mehr als die Fähigkeit, leckere Gerichte zaubern zu können. Sie ist soziale Kompetenz, Kreativität und Alltagskompetenz im Allgemeinen. Wen mag es da noch wundern, dass sich im TV Programm von heute kaum noch jemand den allgegenwärtigen Kochsendungen entziehen kann.
Nur echtes Live-Cooking macht Lust aufs Nachmachen
Wie müssen wir uns wohl die guten alten Kochratgeber für die tüchtige Hausfrau damals vorstellen? Saß da eine treusorgende Ehefrau und Mutter im adretten Hauskleid vor dem Fernseher und notierte fleißig mit, während die erfahrene Hausfrau in der Fernsehküche kleine und große Köstlichkeiten zauberte? Tatsächlich standen in den alten Formaten noch vorwiegend Frauen am Herd. Zwar waren eigentlich immer schon die Herren der Schöpfung die Profis am Kochlöffel und in den meisten renommierten Restaurants stand immer schon ein Chefkoch am Herd, aber in den Ratgebersendungen der Anfangszeiten sollten die Protagonisten noch eine Vorbildfunktion haben und die Damen vor der Mattscheibe zum Nachahmen anregen.
Heute würde das wohl kaum noch so funktionieren, denn es ist wenig motivierend, wenn im Fernsehen ein Sternekoch in einer bis aufs letzte Detail perfekt ausgestatteten Küche herumwuselt und die vielen frischen Zutaten zusammenrührt, die da vor ihm aufgereiht stehen. Wenn unsereins in die Küche geht, stehen da nämlich nicht unzählige Glasschüsseln, in denen irgendein fleißiges Bienchen bereits in stundenlanger Kleinarbeit Zutaten geschält, geschnippelt, gerieben, geraspelt und gewürfelt hat. Wäre dem so, hätten wohl die meisten von uns Lust, öfter einmal eines dieser furchtbar lecker aber doch auch ziemlich kompliziert klingenden Rezepte auszuprobieren, die in Hochglanzkochbüchern präsentiert werden.
Und genau da lag die Schwierigkeit, mit der sich Kochsendungen im TV Programm heute herumschlagen müssen. Die Zuschauer möchten wissen, wie sie leckere und gesunde Gerichte auf den Tisch zaubern, aber sie möchten auch sehen, dass es ohne stundenlange Vorbereitung und eine mehrjährige Ausbildung zum Spitzenkoch funktioniert. Zum Nachahmen lädt eigentlich nur echtes und unverfälschtes Live-Cooking ein, wie es die jungen und irgendwie hippen Köche wie Jamie Oliver uns vormachen. In seinem eigenen Format können Kochfans dem sympathischen Briten im TV Programm heute nämlich sogar dabei zusehen, wie er mit seinem Foodtruck die Menschen zu Hause besucht und mit frischen Zutaten in deren eigener Küche etwas zaubert.
Nur, wenn im Fernsehen noch jede Karotte selbst geschnippelt und jede Soße selbst angesetzt wird, haben wir das Gefühl, dieses beeindruckende Gericht wirklich zu Hause nachkochen zu können und nur dann haben wir Lust, uns den Einkaufskorb zu schnappen und den Bummel durch die Feinkostabteilung zu wagen. Schließlich geht es uns um unsere eigene Kompetenz. Daran, dass der Profi in der Fernsehküche wirklich gut kochen kann, zweifelt ja wohl keiner.

Seht her, ich kann richtig gut kochen
Warum ist Kochen so wichtig geworden? Schmeckt uns die gute alte Hausmannskost nicht mehr? Brauchen wir wirklich das neue Superfood, um uns gut zu fühlen? Natürlich nicht. Es geht beim neuen Lifestyle-Cooking vor allem darum, unsere kulinarische Kompetenz und damit unsere Alltagskompetenz im Allgemeinen unter Beweis zu stellen.
In ihrer Magisterarbeit an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität hat eine Studentin dieses spannende psychologische Phänomen beleuchtet. Sie spricht von der „privaten wie auch öffentlichen Inszenierung der individuellen Kochkenntnisse“. (Quelle: https://d-nb.info/1046822977/34). Um Kompetenzen und Leistungsfähigkeit im Alltag geht es da. Wer es neben den vielfältigen Herausforderungen, die Berufs- und Familienleben bieten, auch noch in einer gesunden und abwechslungsreichen Küche die Oberhand behält, hat sein Leben im Griff.
Und da in unserer medial geprägten Gesellschaft viele Dinge einfach eine gewisse Öffentlichkeit brauchen, um ihren Wert zugesprochen zu bekommen, haben auch die vielfältigen Kochformate im TV Programm heute irgendwie ihre Berechtigung. Schließlich möchten wir doch irgendwie alle kochkompetent sein. Noch mehr aber möchten wir dafür bewundert werden. Da kommt das eine oder andere Tutorial vom Profikoch doch genau richtig.
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